Schreiner sind modern! Arbeiten mit zeitgemäßen Materialien, neusten Maschinen und spitzen Technologie. Deswegen lässt sich auch fast jeder Kundenwunsch problemlos umsetzen. Gedanklich hingegen scheinen viele Menschen noch mit der Vorstellung vom "Meister Eder und seinem Pumukel" zu leben. In Gesprächen mit allen möglichen Personenkreisen bekomme ich oft zu hören wie schön doch mein Beruf ist und wie toll es ist mit Holz zu arbeiten. Tatsächlich ist es ein ganz wunderbares Gefühl mit den eigenen Händen aus einem Stück Holz ein Möbel zu schaffen und sein Tageswerk begutachten zu können.
Die Realität ist leider etwas anders. Wird über "Meister Eder" gesprochen, so distanzieren sich alle Betriebe die ich kenne von ihm, schließlich muss die Schreinerei wirtschaftlich sein und Geld verdienen. Hochtechnologische Maschinen verarbeiten eine Fülle verschiedenster Werkstoffe. Verarbeitete Hölzer und Furniere werden mit einer Plastikschicht "lackiert". Holz ist nur ein Material für ein Konsumprodukt. - Basteln wie Meister Eder, das geht gar nicht!
Aber genau das wollte ich. Ich wollte alles über Holzarten wissen, mit meinen Händen arbeiten, den Duft von Holz in der Nase haben und richtiges Handwerken lernen. Die Vorstellung mag vielleicht absurd klingen, aber: Ich sitze gerade an einem Baum und schreibe diesen Text. Ich schlafe auf einem Baum, verwahre meine Klamotten in einem Baum und esse von einem Baum. Ich sitze auf Bäumen, ich gehe auf Bäumen, ich lebe mit - Bäumen!
Das Bewusstsein Holz als etwas lebendiges zu betrachten, lässt mich meinen Beruf von einer ganz anderen Seite sehen. Seitdem ich beruflich nicht mehr Vollzeit arbeite, kann ich in meiner kleinen Werkstatt dem Holz endlich die Wertschätzung entgegenbringen, die ein Baum verdient.
Handarbeit ist eine wunderbare Tätigkeit die viel, sehr viel Zeit beansprucht. Deswegen setze ich Maschinen ein wo es mir sinnvoll erscheint (überwiegend zum abrichten und aushobeln unbesäumter Blockware sowie beim auftrennen von Bohlen).
Die Oberflächenveredelung möchte ich komplett auf natürliche Oberflächenmittel (Leinöl, Bienenwachs) umstellen und Glutinleime für Verleimungen verwenden. Die geringere Oberflächenbelastbarkeit von natürlichen Produkten im Vergleich zu modernen Beschichtungen erfordert lediglich eine achtsamere und wertschätzende Behandlung dieser Möbel.
Für viele Kollegen, Freunde und Bekannte sind meine Gedanken dazu allerdings nicht nachvollziehbar. Holz ist für sie ein Material, das mit Maschinen verarbeitet wird und mit dem man Geld verdienen kann. Warum soll man sich quälen? Die Maschine ist schneller und genauer. Daneben sind moderne Holzwerkstoffe, Oberflächenbehandlungen viel robuster und günstiger als Massivholzkonstruktionen und natürliche Leinöle. In meiner Selbstständigkeit habe ich daher auch schon den ein oder anderen Spanplattenschrank gebaut. Die Zweckmäßigkeit der Einrichtung erfordert manchmal Möbel aus pflegeleichten Dekorspanplatten.
Kunststoff beschichtete Holzwerkstoffe, die in Optik und Haptik echtem Holz immer ähnlicher werden. Weiße Lackoberflächen oder helle Farblacke sind zeitlos. Glas-, Stein-, Metalimitate zeigen weitere vielfälltige Möglichkeiten in der Gestaltung unseres Wohnraums. Furnierte Flächen oder Massivholz mit künstlichen Oberflächenbeschichtungen bilden vielleicht mal einen Blickfang in unserem Zuhause.
Nur der Fußboden ist aus Holz. Momentan sind das oft Eichendielen, leicht gebürstet, geölt oder lackiert. Die Einrichtung dazu wird in weiß gehalten, Glaselemente bilden Treppengeländer und die Arbeitsfäche in der Küche ist im dunklen Kontrast zu den hellen Fronten. Die Räume einer Wohnung unterscheiden sich in ihrer Zweckmäßigkeit, nicht jedoch in ihrem Erscheinungsbild. Die persönliche Einrichtung ist keine Frage des Geschmacks, sondern der aktuellen Trends.
Hier liegt auch die Schnittstelle von Nachhaltigkeit zum Möbelbau. Die Trends gehen in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Die Designs werden einfach und minimalistisch gehalten und jeder der ein "nachhaltiges Möbel" kauf rettet die Welt.
Aber was passiert wenn das "nachhaltige" Möbelstück nicht mehr im Trend ist und sich der Geschmack der Menschen wandelt? Nachhaltig wäre es auf Konsum zu verzichten und die Einrichtung so lange zu nutzen, bis diese ihre Lebensdauer überschritten hat. Mit einem behutsamen Umgang können Möbelstücke mehrere Generationen überdauern.
Am liebsten baue ich daher kleine Möbel, einfach gehalten und für eine bestimmte Funktion gedacht, mit Liebe im Detail. Mit kleinen wenigen Möbeln fühle ich mich viel wohler als mit großen Schrankwänden und massig Stauraum. Die wenigen Dinge die ich besitze möchte ich ansprechend aufbewahren und was eignet sich dafür besser als ein handgefertigtes Möbel in meinem Lieblingsholz?
Und sollte sich mein Geschmack doch mal ändern oder die kommenden Generationen keinen Gefallen an meinen Werken finden, so lässt sich damit guten Gewissens ein wärmendes Kaminfeuer entzünden.